1. KAPITEL
Grau, gelb, groß steht sie da, umgeben von Pausenhöfen, Sportplätzen, den Parkplätzen für die Lehrer, wo auch die großen Mülltonnen stehen. Die Schule: Drei Stockwerke hoch, breite Gänge, ein Stiegenaufgang mit einer Glasfront, vom Erdgeschoß bis ganz hinauf. Und es gibt über 700 Spinde, von denen einige riechen wie vergammelte Katze.
Verschlafen komme ich ins Schulgebäude. Und habe Physik, beim T.
T. schreit mit mir herum: „Manuel, immer zu spät.“
Ich stelle mir vor, dass ich aufstehe, und T. eine aufs Maul gebe.
T. würde aus der Nase bluten.
Und ich würde lachen.
Aber wenn P. mir eine zurück in die schiache Fresse gibt, dann muss ich plärren, also lasse ich es bleiben.
Man nimmt zuerst nicht wahr, dass man es einatmet.
Aber dann führt es zu Organversagen.
Physik bei T., denkt Stanislaw, wirkt so wie Senfgas: Man verblutet innerlich, langsam, grausam. Und stellt sich vor, wie T. das entlöst, und die ganze Klasse damit infiziert. Will er uns wirklich durch Senfgas töten, uns elendig verrecken lassen?
Der Lehrer beachtet nicht, dass er aus seiner Kammer das giftige Gas mitbringt. Aber vor uns öffnet er den Behälter, und das tödliche Gas tritt aus.
Er ahnt nicht, dass er uns mit seinem Unterricht irgendwie umbringt.
Manchmal stelle ich mir vor, was wäre, wenn T. tatsächlich ein Glas sprengt: Die Glassplitter würden durch den Physiksaal fliegen, und alle töten, die im Saal sitzen. Außer mich, ich würde Glück haben.
Aber was ist, wenn wirklich mal einer durchdreht, und alle Lehrer und Schüler tötet?
In aller Früh kann mich das nicht treffen. Weil meine Mutter mich jeden Tag in die Schule bringt, wir stehen immer im Stau, ich komme ständig zu spät! Aber das kann manchmal auch ein Glück sein.
Wenn T. wirklich mal ein Glas sprengen sollte, soll es Stiffler als Ersten treffen. Er ist mein Erzfeind.
Ihm verdanke ich auch diesen dummen Spitznamen, sie nennen mich Porno-Peter. Wenn sie das sagen, ist mir irgendwie immer nach Amok laufen. Aber nicht einmal das könnte diese dummen Bilder in Facebook löschen.
Wenn ein unterdrückter Schüler Amok laufen würde, hätte er in unserer Schule viel zu tun.
Er müsste sich vom Erdgeschoß bis in den dritten Stock hinaufarbeiten. Mit einem alten, verrosteten Küchenmesser wäre das viel Arbeit.
Die anderen würden sicher sagen, dass sei altmodisch, wer nimmt schon ein Messer, aber so kann man doch auch töten, oder?
Mein Vater würde mich auslachen. Mason, würde er sagen, so was macht man doch anders.
Wenn ein Attentäter auf mich zukäme, dann hätte ich sicher panische Angst. Ich stelle mir das so vor: Er läuft auf mich zu, sticht mir in den Hals, aber trifft nicht die Halsschlagader, nur einen Muskel.
Am Boden liegend werde ich auf die Rettungskräfte warten, im Krankenhaus aufwachen und einen Arzt sagen hören, dass ich verdammtes Glück hatte. Nur ich und drei andere werden überlebt haben. Die drei anderen, das wären natürlich gute Freunde von mir.
Was einen guten Freund ausmacht?
Hilfsbereit und witzig soll er sein, einen nicht verarschen und nicht im Stich lassen.
Helfen soll er einem, verantwortungsvoll sein, und sich gut benehmen. Treu soll er sein, man muss ihm vertrauen können. Er sollte auf Frauen stehen.
Gutes Aussehen ist auch wichtig. Er soll nicht fett, nicht schwul, nicht schiach sein, und keinesfalls einen Justin-Bieber-Style haben. Er soll aber auch kein Sandler sein.
Immer wenn wir Physik haben, kommt mir vor, dass ich einen Knall höre. Ich denke dann, dass jemand erschossen wurde, und will aus der Schule fliehen.
In einer der Mülltonnen am Parkplatz würde ich mich in Sicherheit bringen, mein Handy herausholen, und sofort die Polizei rufen. Der Polizist am Telefon würde mir sagen, ich solle in Deckung bleiben. Das würde ich natürlich tun. Warten, bis die Cobra eintrifft, das Gebäude stürmt und die Täter schnappt. Aber was wäre bei einer Geiselnahme? Mein Vater sagt, sie nehmen gerne Geiseln. Neun Geiseln vielleicht, darunter einer meiner besten Freunde.
Und meine Freundin am Ende auch noch.
…
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