Flunzi oder Eine Klasse sieht schwarz

1. KAPITEL

Wie an jedem Schultag wartet Axel Schweiß, Georgs bester Freund, um 6 Uhr 30 an der Bushaltestelle auf Georg. Sie vertreiben sich die Zeit bis zum Schulbeginn immer mit Rauchen und Quatschen. Doch als der Bus kommt und Georg nicht aussteigt, hat Axel ein eigenartiges Gefühl, so wie schon am Abend davor.

Axel hatte Georg mehrmals angerufen, aber, ganz gegen seine Gewohnheit, rief Georg nicht zurück. Schon gestern war Axel das seltsam vorgekommen. Als Georg an diesem Morgen nicht aus dem Bus steigt, tut Axel etwas, dass er sonst nie tun würde: Er ruft bei Georgs Mutter an.

 

Georgs Mutter ist irgendwie krank.

Was genau sie hat, das weiß man nicht. Wahrscheinlich psychische Probleme. Jedenfalls kann sie nicht arbeiten und hat dementsprechend wenig Geld.

Axel ist nur einmal bei Georg zu Hause gewesen. Einmal und nie wieder. Er wird diesen Geruch nie wieder vergessen. Und wie die Wohnung aussieht. Komplett zugemüllt, anders kann man das gar nicht sagen. Aber anstatt aufzuräumen, sitzt diese Frau bloß auf der Couch.

Georg hatte gerade die Wäsche aufgehängt. Und es war ihm total peinlich gewesen. Der Zustand seiner Mutter. Und der der Wohnung. Axel erinnert sich daran, dass sie bald nach draußen gegangen waren, in den Wald. Und dass weder er noch Georg ein Wort über die Sache verloren.

 

Zunächst kann er gar nicht verstehen, was Georgs Mutter am Telefon sagt.

Da ist bloß Schluchzen zu hören, lautes Weinen in seinem Ohr.

Eigenartig, denkt Axel. Wo doch Georgs Mutter sonst immer so gleichgültig ist. Irgendetwas muss passiert sein. Doch was? Außer diesen hysterisch-heiseren Geräuschen kommt nichts von der Mutter. Kein Wort.

Axel legt wieder auf. Diese Frau ist einfach nicht normal.

Bis zu Schulbeginn ist noch eine gute Stunde Zeit. Doch Axel hat keine Lust, ohne Georg zum Raucherplatz zu gehen.

Er bleibt eine Weile unschlüssig an der Bushaltestelle stehen. Dann geht er in Richtung See.

 

Im Park kommt ihm Manfred Schnörkel entgegen. Manfred ist ein komischer Kerl. Schon 18 Jahre alt, aber noch immer in der vierten Klasse Hauptschule. Niemand weiß genau zum wievielten Mal. Und eigentlich interessiert das auch keinen sonderlich.

Manfred kommt aus Deutschland. Aber daran liegt es nicht, dass Axel ihn nicht mag. Es ist auch nicht der Vollbart oder dass er sich so stylt wie ein Sandler. Nein, es liegt an Manfreds Lieblingsessen. Denn im Gegensatz zu allen anderen, die gerne Pizza essen oder Nudeln oder Steaks, bevorzugt Manfred Dosenfutter. In jeder großen Pause öffnet er sich eine Dose und verschlingt sie wie ein Tier.

Axel und Georg witzeln immer, dass Manfred wahrscheinlich ohnehin Hundefutter isst. Aber sie witzeln immer nur heimlich. Denn Manfred direkt zu verarschen, das traut sich niemand.

„Hi Manfred“, sagt Axel, und will gleich weitergehen. Doch Manfred fasst ihn am Arm und zwingt ihn stehen zu bleiben.

„Da war vielleicht was los heute früh“, sagt Manfred. „Die ganze Veldener Bucht voll mit Polizei und Booten und Rettungswagen. Die müssen da jemanden gefunden haben.“

„Aha.“

„Ja, richtig aufregend. Wie in einer Folge von CSI.“

„Mhm“, macht Axel. Manfred hält ihn noch immer am Arm fest.

„Wo steckt denn dein Busenfreund?“

„Georg?“

„Na, wer denn sonst?“

„Keine Ahnung. Und jetzt lass mich bitte los.“

Manfred lässt Axels Arm nun endlich frei.

Axel will weitergehen, doch Manfred stellt sich ihm in den Weg.

„Komm mit“, sagt er.

Axel hat wirklich keine Lust. Doch Manfred zu widersprechen, das ist keine gute Idee.

Er geht mit ihm zu der versteckten Parkbank am See.

Dort holt Manfred eine Dose Bier aus seinem Rucksack, öffnet sie und hält sie Axel hin.

Axel schüttelt den Kopf.

Manfred trinkt einen großen Schluck, wischt sich den Mund mit dem Handrücken ab und rülpst dann kräftig.


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