Rich Bitch, Emo & Tutu

ERSTER TEIL

1.

Ring, Ring, Ring …

Der Wecker ging lautstark ab. 5 Uhr morgens. Chantal Bajrami war keine Frühaufsteherin. Sie kroch deshalb nur kurz aus dem Bett, um den Wecker aus dem Fenster zu werfen. Dann legte sie sich wieder hin. Plötzlich aber riss sie die Augen auf. Sie starrte auf ihre Uhr, sah, dass die Schule in bereits 10 Minuten anfangen würde. Sie raste zu ihrem Kleiderschrank und zog sich in Windeseile an, putzte ihre Zähne, machte ihre Haare. So versandelt, sprich: ungeschminkt, war sie noch nie in der Schule aufgetaucht. Dort angekommen, hörte sie, als sie in die Klasse kam, ein lautes Lachen ihrer Mitschüler. Voller Schreck bemerkte sie, dass sie keine Hose anhatte. Hochrot im Gesicht lief Chantal wieder nach Hause.

 

Blödsinn. Das hat Chantal natürlich nur geträumt. Wer zieht sich denn in Wirklichkeit keine Hose in der Früh an? Und Schule gehen? Macht Chantal schon lange nicht mehr. Sie hat ihre Lehre zur Konditorin abgebrochen und will Shisha-Verkäuferin werden. Das stellt sie sich chillig vor.

 

2.

Ganz anders sieht die Sache bei Felix Ketchum aus. Er wird noch ewig in die Schule gehen müssen, sein Weg soll ihn schließlich direkt in eine Anwaltskanzlei führen. Und das heißt, noch elendslange lernen.

Felix wird um 6 Uhr morgens von seinem Butler geweckt. Das Dienstmädchen bereitet ihm Tag für Tag sein edles Frühstück: Birchermüsli, Karottenbrot und Kaviarcreme. Unterdessen setzt sich Felix, noch im Pyjama, zum Klavier in seinem Zimmer. Deswegen muss er so früh aufstehen. Er muss jeden Tag mehrmals üben.

Nach dem Frühstück begibt er sich in sein Badezimmer, wo er seine Zähne putzt und sein Gesicht wäscht. Seit er 12 ist, darf er das alleine machen. Auch anziehen darf er sich selbst, aber nur das, was ihm am Tag zuvor von seiner Mutter zurechtgelegt wurde. Und das ist immer ein marineblauer Anzug.

Wenn er fertig ist, wird er von Manni und Sid, seinen Leibwächtern, in die Limousine getragen. Felix kennt alle Teile von „Ice Age“ in- und auswendig, deshalb nennt er die beiden so. So geht es dann im goldenen Mercedes zur Schule. Die meisten Kinder dort sind immer fit wie ein Turnschuh. Felix findet das jeden Tag aufs Neue verwunderlich. Er muss kaum einen Handgriff alleine machen, doch sein Leben macht ihn müde.

Vielleicht ist seine Lieblingsspeise deshalb Nudel Arrabiata, Schärfe: Eine Million Scoville. Das macht ihn wach. Er liebt außerdem Sprüche wie „In diesem Scheißhaus wohnt ein Geist, der jedem in die Eier beißt“; oder, wenn er nach dem Namen von jemandem gefragt wird, zu sagen „Dünsch heißt er!“. Er weiß, dass er so seine Eltern provozieren kann, die ihn immer ermahnen, „schön“ zu sprechen.

 

3.

Ganz und gar nicht idyllisch geht es in der Früh bei Wigo zu, der eigentlich Walter Wigoschnig heißt. Jeden Morgen stürmt seine Mutter um 6 Uhr in sein Zimmer, um ihn mit lautem Gebrüll aus seinen Träumen zu reißen. Heute zum Beispiel hat er von Rudolf Nurejew geträumt, seinem großen Idol. Müde und unwillig steigt Wigo aus dem Bett, schlurft die Stiege runter, stolpert auf der letzten Stufe und fällt hin. Mit letzter Kraft rappelt er sich auf, geht in die Küche und setzt sich an den Tisch. Das Nutellabrot in der Früh ist manchmal sein einziger Lebenssinn.

Nach dem Frühstück wäscht er sich und putzt sich seine Zähne. Jeden Tag überlegt er sein Tutu anzuziehen … Aber es wäre zu peinlich, er entscheidet sich stets in letzter Sekunde dagegen. Er rennt dann in die Garage, steigt auf sein Rad, tritt in die Pedale und rast über den Südring in Richtung Schule.

Er ist wütend. Das bedeutet bei ihm: Er hat Hunger! Mit fünf Apfeltaschen bei McDonalds versucht er, diesen zu stillen. Aber schon ein paar Minuten später, fast bei der Schule angekommen, stoppt er noch beim Supermarkt und besorgt sich eine Zweiliterflasche Cola. Das hilft auch gegen die Wut. Dafür ist er jetzt spät dran. Um pünktlich zu sein, rennt er ohne Rücksicht auf Verluste zur Schule und läuft dabei in eine alte Frau.

 

4.

Der alten Frau geht es mittlerweile wieder gut. Gut geht es an diesem Morgen auch noch Isabell de la Simpson. Sofern es Isabell überhaupt „gut“ gehen kann. Nicht, dass es ihr wirklich „schlecht“ geht. Sie ist nur sehr oft melancholisch.

Isabell ist ein Emo. Sie mag Horrorfilme, ihre Lieblings-tiere sind Raben und Spinnen – und trotzdem steht sie auf Helene Fischer, was für sie aber kein Widerspruch ist. Außerdem stammt Helene Fischer aus Russland, wie Isabells Mutter. Was die Leute von ihr halten, ist Isabell sowieso egal. Ihr Berufswunsch ist Gerichtsmedizinerin. Die Arbeit mit Leichen stellt sie sich interessant und vor allem ruhig vor. Sie mag Ruhe. Deshalb findet sie ihren kleinen Bruder auch so nervig. Der ist meistens laut.

 

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