Guffi
Es war ein schwüler Augusttag, ich machte einen Spaziergang auf die Araburg, eine Ruine in der Nähe von Hainfeld, die zur Ramsau gehört. In meinem Kopfhörer spielten Queen ‚Radio Gaga‘, im Grunde war alles perfekt, meine Stimmung wurde nur dadurch ein wenig getrübt, dass mich meine Schwester begleitete und die Schule schon bald wieder beginnen würde. Kerstin versuchte ständig, mir die Kopfhörer wegzunehmen und sich bei mir über ihre überschüssigen Kilos zu beklagen. (Sie wog keine vierzig Kilo.) ‚Schau mich bloß nicht an‘, rief sie, ‚ich weiß, du willst mich nur auslachen, weil ich so fett bin!‘ Ich hatte keine Lust, mir das noch länger anzuhören, also schlug ich ihr vor, ein Wettrennen zur Burg zu machen, da würde sie ihr Fett schon loswerden. Ich rannte los und hatte sie bald abgehängt, aber als ich oben ankam, verschlechterte sich meine Stimmung weiter. Auf dem sonst leeren Parkplatz stand das Auto des schrecklichen Oger.
Der schreckliche Oger
Ich war stundenlang mit meinem Maestro Kadetto (Opel Kadett Baujahr 1983, verstehst, Oida, zwölf Jahre älter als ich!), mit meinem Maestro Kadetto also stundenlang über die Forstwege gefetzt, meine Lieblingsbeschäftigung, total hoat, verstehst, im dicht bewachsenen Wald rund um die Araburg, die zu Kaumberg gehört und damit zu Rohrbach, wie ja überhaupt ganz Hainfeld, wie jeder vernünftige Mensch weiß, zu Rohrbach gehört (Rohrbach an die Macht!). Plötzlich übersah ich eine Bodenwelle, und der Wagen hob ab wie ein Düsenjet, ich donnerte mit dem Schädel gegen das Autodach, total hoat, und muss wohl ein Weilchen weggetreten gewesen sein, denn ich fand mich im Wald wieder, ein paar Meter abseits der Straße. Das reichte mir fürs erste, und ich steuerte den Parkplatz unterhalb der Burg an, es war ohnehin Zeit für meine Verabredung. Ich traf mich mit I-Phone, der hübschesten und gesprächigsten Frau von hier bis St. Pölten, jeden Tag eine andere Haarfarbe, verstehst, total cool. Eigentlich hatte ich erwartet, dass sie schon da sein würde, aber ich konnte sie nirgends entdecken, und eines sag‘ ich dir, Oida: Dass Guffi und Kerstin auch da waren, war in dieser Situation aber so was von unnötig.
Kerstin
Als ich endlich völlig außer Atem bei der Burg ankam, fühlte ich mich so schwer, als hätte ich mindestens zehn Kilo zugenommen, und zur Krönung des Ganzen war auch noch der schreckliche Oger in seinem scheußlichen Auto da, mit dem er ständig im Wald herumdüst, obwohl er überhaupt keinen Führerschein hat, irgendwann wird ihm sicher was passieren. Jedenfalls hatten die beiden schon zu streiten begonnen, wie immer, ob die Araburg zu Rohrbach gehört oder zur Ramsau. ‚Sag’s ihm!‘ rief mir Guffi schon von weitem zu, ‚wohin gehört die Araburg?‘ Mir war das so was von wurscht, aber aus alter Gewohnheit sagte ich, ‚Ramsau, nur hör auf, mich zu nerven‘. ‚Komm mir nicht teppert, Oida!‘ schrie mich der Oger an, ’sonst panier‘ ich deinem blöden Bruder eine, dass er sich die Ramsau von unten anschauen kann!‘ ‚Mir so was von wurscht‘, antwortete ich achselzuckend, denn ich sah I-Phone den Weg heraufkommen und wusste, dass der Oger sein Interesse an uns gleich verlieren würde.
I-Phone
Dieser Koffer hätte mich wenigstens mit dem Auto abholen können, dachte ich, wenn wir uns schon in dieser gottverlassenen Wildnis treffen müssen, ich mein‘, wozu hat er es denn? Total blöd von mir, mich auf so was einzulassen, Araburg, ich mein‘, was soll ich da, ich weiß nicht einmal, gehört die wirklich zu Rohrbach, wie der Oger behauptet, gehört die zu Kaumberg, gehört die zur Ramsau oder überhaupt zu Hainfeld? Und dass das Wetter genau jetzt umschlug, eh klar, geht mir immer so, kaum bin ich fernab der Zivilisation, fängt es mit Sicherheit auch noch an zu regnen. Ich war ziemlich sauer, ich mein‘, wärst du auch gewesen, wenn du dir schon in der Früh einen Fingernagel abgebrochen hast, und jetzt auch noch mit den neuen Schuhen im Matsch herumstapfen, ich mein‘, wenn das keine Zumutung ist, die Frisur total ruiniert, die Haarfarbe hält nicht, und nicht einmal anrufen konnte ich jemanden, dass er mich abholt, gab ja keinen Empfang in dieser Einöde, und – oh Gott, die Ramsauer waren auch da!
Kerstin
Es schüttete wie aus Eimern, aber mir war das so was von wurscht. Den anderen offensichtlich nicht, sie versuchten, einen Unterschlupf zu finden und stürmten zum Auto, I-Phone voran, den Tränen nahe, weil ihr die violette Haarfarbe übers Gesicht und ihr Top und ihren Minirock rann und über all die anderen Kleidungsstücke, die ich mit meiner Figur unmöglich hätte anziehen können. ‚Zah au!‘ hörte ich plötzlich Guffis Stimme, ‚beweg dich, sonst wirst du dich verkühlen‘, und er versuchte, mich zum Auto und auf den Rücksitz zu zerren. Ich wehrte mich, aber er war natürlich stärker. ‚Lass mich in Ruhe!‘ schrie ich ihn an, ‚mir ist eh schon alles wurscht, mir ist egal, ob ich krank werde oder nicht! Außerdem ist das sinnlos, der schreckliche Oger wird uns sowieso nicht in sein Auto lassen!‘
…
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