1. Kapitel: Die Berliner Schwestern
Lilo Popowich spricht viele Sprachen: Türkisch, Deutsch, Englisch und Russisch. Das liegt vor allem daran, dass sie und ihre Mutter und ihre Schwester, die eigentlich ihre Stiefschwester ist und Poppi genannt wird, schon in vielen verschiedenen Ländern lebten. Lilo ist 14, sie hat blaue Augen und blondes Haar. Lilo schwänzte meistens die Schule und ging zu ihrem Freund, wo sie die ganze Zeit Musik hörten und rauchten. Poppi, die viel vernünftiger war als ihre Schwester, musste sie meistens suchen. Auch abends, wenn Lilo noch unterwegs war und ihre Mutter sich Sorgen machte, zog Poppi los und kam erst nachhause, wenn sie Lilo gefunden hatte. Poppi heißt eigentlich Paula Movonich, findet Tierschutz cool und Tierquälerei und Angeber uncool, ihr Lieblingsessen ist Pizza ohne Fleisch, denn sie ist Vegetarierin, sie ist 16 Jahre alt und eine echte Tierflüsterin.
Berlin ist eine coole Stadt, in der es in jeder Straße extrem viele Lokale gibt, die dort Kneipen genannt werden, es gibt aber auch Diskotheken und Clubs und Unmengen von Internetcafés und noch mehr Dönerbuden. Vor einiger Zeit fing Lilo an, Fußball zu spielen und seither interessierten sie ihr Freund, der ziemlich bequem war und am liebsten vor seinem Computer hing und Musik herunterlud, nicht mehr so sehr wie das Training mit ihrer Fußballgruppe, die aus lauter so coolen Mädels wie sie selber bestand. Sie machte jetzt viel Sport und rauchte nicht mehr ganz so viel. Dreimal in der Woche ging sie auf die große Wiese im Park und trainierte mit ihren neuen Freundinnen. Lilo wohnte bis vor kurzem in Berlin. Vor einiger Zeit sind Lilo und Poppi allerdings mit ihrer Mutter in eine kleine österreichische Stadt gezogen, von der die Mädchen vorher noch nicht einmal den Namen kannten ?
Seit ein paar Wochen ist Lilo jetzt in der vierten Klasse in der Hauptschule in Viehofen/Ghetto-Stadt und geht mit Axel Klingmaier, Tony und Lionel in dieselbe Klasse. Poppi ging bis vor kurzem auf die Realschule, was ungefähr zwischen Hauptschule und Mittelschule liegt, aber nach dem Umzug nach Viehofen/Ghetto-Stadt ist sich das mit dem Gymnasium irgendwie nicht ganz ausgegangen und jetzt geht Poppi ins Poly, sie will aber später einmal ganz bestimmt Tierärztin werden. Immer wieder kamen neue Schülerinnen oder Schüler in die Klasse. Kurz vor den Berliner Schwestern zum Beispiel ein Mädchen namens Ryiam, sie erzählte Poppi: ‚Ich wohne am Mühlweg. Ganz in der Nähe vom Interspar. In diesem Einkaufszentrum gibt es neben dem Sparmarkt ein Restaurant, ein Café, einen Friseur, verschiedene Fachmärkte und einige nette Boutiquen. Der Sparkassenpark ist auch in der Nähe. Das ist ein schöner, gepflegter Park mit vielen Bäumen und Sträuchern. Im Sommer war ich oft dort, weil es ruhig und angenehm kühl ist. Der Hauptbahnhof ist auch nicht weit weg. Das ist angenehm für mich, weil ich mit dem Bus zur Schule fahren muss. Ich bin erst seit ein paar Monaten hier, aber es gefällt mir schon recht gut in dieser Stadt.‘ An diesem Samstag sind sie zu ihrer ersten Party eingeladen. Michael sagte zu Tony: ‚Lade doch die Neue ein, okay?‘ Also rief Tony Lilo – die Neue – am Handy an und fragte sie, ob sie auch zur Party kommen würde.
Lilo sagte sofort zu, ohne Poppi zu fragen, ob sie Lust auf eine Party hat und ohne ihre Mutter zu fragen, ob sie denn gehen dürfe. Lilo fragte ihre Mutter überhaupt nicht so oft, das hatte sie auch in Berlin meistens nicht gemacht. Und das war auch eines der Hauptprobleme, die Lilos Mutter mit Lilo hatte oder auch umgekehrt. Tony hatte ihr am Telefon vorgeschwärmt, dass Michael in einem riesigen Haus wohnt, einer Villa eigentlich, mit vielen Zimmern und einer coolen Anlage, mit Pool und allem, was dazugehört. Außerdem: ‚Neben Michael wohnt Lionel Ronaldo, der ebenso reiche Eltern hat wie Michael und die ganze Abrahamstraße wird zur Partyzone, und es wird bestimmt alles geben, was du dir vorstellen kannst und wahrscheinlich eh noch mehr.‘ Lilo war davon nicht wahnsinnig beeindruckt. Sie wohnte mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in einer kleinen Wohnung, ohne Pool und ohne Butler oder Gärtner, aber auf eine Party ging Lilo natürlich immer sehr gern.
Den Samstagnachmittag verbrachten Lilo und Poppi lange damit, um sich für die Party hübsch zu machen. Auf ihren Betten lagen so ziemlich alle Klamotten, die sie besaßen, und auf dem Boden und dem Schreibtisch sah es auch nicht besser aus. Als sie sich auf den Weg machen wollten, kam ihre Mutter von der Arbeit und war überrascht. Sie wusste nämlich nichts von Lilos und Poppis Plänen! Noch dazu hatte sie ganz andere Ideen. Seit einer Woche schon hatte sie mit ihren Töchtern ausgemacht, dass die endlich ihr Zimmer aufräumen und ihr helfen sollten, die restlichen Koffer und Schachteln auszuräumen. Sie wohnten ja erst seit sehr kurzer Zeit in der neuen Wohnung, das Zimmer von Lilo und Poppi sah aber eher so aus, als hätten sie es schon seit Jahren nicht mehr saubergemacht. Bei einem Streit zwischen Lilo und ihrer Mutter war es meistens so, dass Lilos Mutter schnell laut wurde und Lilo wurde dann noch lauter und nach einer Weile beruhigte Poppi die beiden und so war es auch an diesem Tag. Lilo und Poppi durften auf die Party, das Zimmer würden sie am nächsten Tag aufräumen. Sagten sie zumindest.
Sofort, nachdem Lilo und Poppi in Michaels Haus angekommen waren, nahm sich Lilo ein Bier und rauchte eine Zigarette. Die anderen fanden sie ziemlich cool. Jetzt kam Axel, der sie schon die ganze Zeit beobachtet hatte, zu ihr und fing an, mit ihr zu plaudern. Lilo trank auch Wodka. Sie redeten gleich über Fußball und sofort spürte Axel so ein Kribbeln im Bauch, die ganze Zeit. Sollte das Liebe sein? Axel sagte ihr, dass er sie liebe. Lilo antwortete nicht, sie war einen Moment sprachlos. Sie nahm noch einen großen Schluck Bier und als sie wieder zu sich kam, sagte sie: ‚Naja, aber ich kenn dich erst seit ein paar Wochen und eigentlich unterhalten wir uns grade mal fünf Minuten!‘ Axel darauf: ‚Okay, dann lass uns öfters was unternehmen.‘
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